Zur Haftung des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren

OLG Celle, Urteil vom 02.10.2007 – 16 U 29/07

Zur Haftung des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Januar 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Nach Einstellung des Insolvenzverfahrens gem. § 211 InsO war er zum Treuhänder
im Restschuldbefreiungsverfahren bestellt worden (Beschluss des AG Celle v. 9. August 2000, Bl. 107 d. A.). Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe seine Pflichten als Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren verletzt. Dem liegt zugrunde, dass die Arbeitgeberin der Klägerin aufgrund eines Berechnungsfehlers zu hohe Vergütungsanteile (ab Januar 2000) an das von dem Beklagten geführte Treuhandkonto abgeführt hat, die vom Beklagten anschließend an diverse Gläubiger ausgekehrt worden sind.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen, durch das die Klage abgewiesen worden ist. Für die Haftung des Beklagten als Treuhänder könne § 60 InsO nicht entsprechend angewendet werden. Auch eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen (wegen Verletzung des gesetzlichen Treuhandverhältnisses) scheide aus, weil der Beklagte nicht verpflichtet sei zu überprüfen, ob ihm vom Arbeitgeber des Schuldners zu viel überwiesen werde. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie die erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zur Zahlung von 5.094,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2006 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

Zurückweisung der Berufung.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat mit Recht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten als Treuhänder in der Wohlverhaltensphase verneint, weil es schon an einer entsprechenden Pflichtverletzung fehlt.

1. In der KommentarLiteratur zur Insolvenzordnung ist streitig, ob für die Haftung des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren eine entsprechende Anwendung des § 60 InsO anzunehmen oder ob – so die wohl herrschende Meinung – auf allgemeine Grundsätze, mithin die Regelungen der pVV bzw. jetzt § 280 BGB zurückzugreifen ist (vgl. zum Diskussionsstand nur FKGrote, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 292 Rn. 29 ff.; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 292, Rn. 11; MKEhricke, InsO, § 292 Rn. 70, 73, je mit weiteren Nachweisen). Soweit ersichtlich, hatte sich die Rechtsprechung bisher noch nicht mit dieser Frage zu befassen.

Der Senat folgt derjenigen Auffassung, die die Haftungsgrundlagen in erster Linie in einer positiven Forderungsverletzung des Treuhänders sieht. § 60 InsO ist auf den Treuhänder nicht (entsprechend) anzuwenden. Das folgt schon daraus, dass § 292 InsO – insbesondere Abs. 3 – eben gerade nicht auf diese Norm verweist, was gegen das Vorliegen der für eine Analogie erforderlichen unbewussten Regelungslücke sprechen dürfte (ebenso Ehricke a. a. O. Rn. 70; Grote a. a. O. Rn. 29). Dabei ist auch der gegenüber einem Insolvenzverwalter eingeschränkte Aufgaben und Verantwortungsbereich des Treuhänders zu berücksichtigen. Grundlage für eine Haftung des Treuhänders ist folglich allein die ihm vom Gericht übertragene Treuhandstellung in Bezug auf den Schuldner und die Gläubiger (§ 291 Abs. 2 InsO). Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine sog. doppelseitige Treuhand, aus der wegen der unterschiedlichen Aufgaben des Treuhänders (Verwaltung und Überwachung) hinsichtlich der ihm obliegenden Pflichten zu differenzieren ist (Grote a. a. O. Rn. 30 ff.; ebenso Ehricke a. a. O. Rn. 72 ff.).

Letztlich wird aber in der Praxis die Frage der zutreffenden Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, den ein Treuhänder verursacht, nicht entscheidend sein, weil man auch unter analoger Anwendung des § 60 InsO nicht zu anderen Ergebnissen kommen dürfte.

2. Entscheidend ist vielmehr vorliegend die Frage, welche Pflichten der Treuhänder in Bezug auf die Verwaltung und Verteilung der von ihm einzuziehenden Gelder gegenüber dem Schuldner hat.

Dabei hat er freilich als Verwalter fremden Vermögens die Pflicht zur „ordentlichen Verwaltung“ (vgl. schon BGHZ 24, 393). Was dazu gehört, ist allerdings erst aus dem gesetzlichen Pflichtenkreis zu entwickeln, den der Treuhänder im Rahmen des § 292 InsO zu erfüllen hat.

Nach Absatz 1 dieser Norm hat er zunächst den zur Zahlung der Bezüge verpflichteten Arbeitgeber über die Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO zu unterrichten, die durch Abtretung erlangten Gelder einzuziehen, auf einem Treuhandkonto zu verwalten und sie schließlich nach Maßgabe dieser Vorschrift an die Insolvenzgläubiger zu verteilen. Dagegen ist der Treuhänder grundsätzlich nicht zur Überwachung der Obliegenheiten des Schuldners verpflichtet. Anderes gilt nur dann, wenn ihm die Gläubigerversammlung diese Aufgabe zusätzlich überträgt.

Welche konkreten Pflichten der Treuhänder bei der Einziehung der ihm abgetretenen Forderungen hat, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Das gilt insbesondere auch für die hier maßgebliche Frage, ob er eingehende Beträge zu überprüfen oder von der Abtretung erfasste Bezüge notfalls klageweise geltend zu machen hat (vgl. Grote a. a. O. Rn. 6; Ehricke a. a. O. Rn. 19). Die genannten Autoren bejahen dies unter Hinweis auf die Stellung des Treuhänders als Sachwalter
des der Restschuldbefreiung dienenden Sondervermögens (ebenso im Ergebnis Uhlenbruck/Vallender a. a. O. Rn. 24). Daraus wird gefolgert, er habe auch darauf zu achten, dass der Arbeitgeber die pfändbaren Beträge an ihn abführt und die Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO beachtet. Ob dies im weiteren Sinne auch zugunsten des Schuldners zu gelten hat, ist der Kommentierung nicht sicher zu entnehmen. Das Problem der Überzahlung durch den Arbeitgeber wird – soweit ersichtlich – nirgends problematisiert oder auch nur im Hinblick auf eine etwaige Haftung des Treuhänders gesehen.

Nach Auffassung des Senats kann indessen nicht ohne weiteres gefolgert werden, der Beklagte müsse als Treuhänder in jedem Falle die monatlichen Bezügeabrechnungen und die darauf erfolgende Zahlung seitens des Arbeitgebers im Sinne einer Betreuung für den Schuldner auf seine Richtigkeit hin überprüfen. Das wäre eine Überspannung der Anforderungen an den Treuhänder, der im Rahmen der Restschuldbefreiung in erster Linie bei dem Forderungseinzug zugunsten der Insolvenzgläubiger tätig wird und daher in deren Interesse darauf zu achten hat, dass die Forderungen – soweit an ihn abgetreten – erfüllt werden. Maßgebend dabei ist, dass der Treuhänder aufgrund der Abtretung (§ 287 Abs. 2 InsO) durch den Schuldner nur insoweit Forderungsberechtigter wird, als ihm die pfändbaren Forderungen abgetreten sind. Für darüber hinausgehende Anteile verbleiben die Ansprüche auf Lohn und Bezüge mithin beim Schuldner, der sie im eigenen Interesse gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen hat. Umgekehrt wird der Arbeitgeber auch durch eine fehlerhafte Überzahlung an den Treuhänder nicht von seiner Leistung gegenüber dem Arbeitnehmer frei. Daraus muss dann aber auch geschlossen werden, dass es grundsätzlich nicht Sache und Pflicht des Treuhänders sein kann, zugunsten des Schuldners im Einzelnen und noch dazu etwa monatlich die zutreffende Berechnung der abgetretenen Anteile zu überprüfen
und etwa Überzahlungen zu erstatten.

Im Ergebnis dürften daher die Insolvenzgläubiger (anteilig) durch die erfolgte Auszahlung unberechtigt (ohne rechtlichen Grund) Gelder erhalten haben. Gleichzeitig ist aber auch der Arbeitgeber als Drittschuldner in Höhe der fehlerhaften Überzahlung an den Treuhänder nicht von seiner Leistung gegenüber der Klägerin frei geworden. Diese Überlegung zeigt, dass es in diesem Verhältnis auch an einem Schaden fehlen könnte, weil die Klägerin weiterhin ihren Vergütungsanspruch in Höhe der den unpfändbaren Betrag (und damit nach § 400 BGB nicht abtretbaren) übersteigenden Anteile behielt. Wenn sie diesen nunmehr nicht mehr geltend machen kann, weil insoweit inzwischen Verjährung eingetreten ist, vermag dieser Umstand dem Beklagten nicht zur Last gelegt werden.

Letztlich mag ein weiteres Argument gegen eine weitergehende Haftung des Treuhänders sprechen: Eine ständige Überprüfung der eingehenden Gelder würde einen erheblichen Arbeits und Prüfungsumfang bedeuten, dem der Treuhänder, der beispielsweise – wie hier als Rechtsanwalt – zahlreiche Verbraucherinsolvenzverfahren betreut – in der Praxis kaum kostendeckend nachkommen könnte. Schon die auch nur auf Stichproben beschränkte Überprüfung der überwiesenen Beträge würde einen Kostenaufwand durch zumindest angestellte Mitarbeiter erfordern, die noch zudem auch kontrolliert werden müssten, der vielfach die nach Ablauf von fünf Jahren der Wohlverhaltensphase verdiente Vergütung des Treuhänders weitgehend aufzehren oder gar übersteigen dürfte. Das zeigt auch der Blick auf die hier entstandene Vergütung des Treuhänders, die für fünf Jahre durch das Amtsgericht auf netto rund 1.100 EUR festgesetzt worden ist (Beiakte 35 IK 63/99 AG Celle, Bl. 214).

Nach alledem folgt der Senat der Entscheidung des Landgerichts, das bereits mit zutreffender Begründung eine objektive Pflichtverletzung durch den Beklagten verneint hat.

3. Wenn man der vorstehenden Auffassung nicht folgen und statt dessen eine Pflicht des Beklagten zur Überprüfung der jeweiligen Zahlungen aufgrund der Abtretung im Interesse auch des Schuldners annehmen wollte, müsste jedenfalls von einem Ersatzanspruch der Klägerin eine Quote wegen ihres nach § 254 BGB anzurechnenden Mitverschuldens abgezogen werden. Dass die Klägerin als Gärtnerin selbst nicht in der Lage gewesen wäre, die Gehaltsabrechnungen zu überprüfen, kann sie nicht ausreichend entlasten, weil sie sich professioneller Hilfe dazu hätte bedienen können, etwa durch ihren Rechtsanwalt, der sie auch schon im Insolvenzverfahren vertreten hatte.

Wie oben schon ausgeführt, oblag es im ureigenen Interesse der Klägerin selbst, die ihr nach der Abtretung verbleibenden Ansprüche auf Lohn, weil unpfändbar und nicht abtretbar, gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend zu machen. Das impliziert eine eigene Obliegenheit der Überprüfung der geleisteten Zahlungen. Dieser Obliegenheit ist sie nicht nachgekommen. Das bedarf aber letztlich keiner Entscheidung.

4. Ob und in welchem Umfang ein Ersatzanspruch daneben auch der Verjährung unterliegen könnte, ist nicht mehr zu entscheiden.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 2 GKG wegen des in erster Instanz kurzfristig aufgehobenen Termins vom 6. Dezember 2006 kommt nicht in Betracht, weil es allein um Parteikosten geht.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Haftung des Treuhänders nach § 292 InsO zugelassen, weil dazu bisher Rechtsprechung nicht ergangen ist.

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